Das Warten vor der Futterschüssel

Für viele Hundehalter gilt es als die Königsdisziplin der Hundeerziehung, wenn der Hund einige Zeit vor der vollen Futterschüssel warten kann. Diese Übung wird dabei mehr oder weniger schwierig gestaltet: während manche Halter den Hund nur kurz sitzen lassen, bis die Futterschüssel am Boden steht, müssen andere Vierbeiner richtig lange warten, bevor sie zugreifen können.

Doch ist das sinnvoll?

Ich denke, dass es – richtig aufgebaut! – eine nette Übung in Impulskontrolle ist. Diese hat aber sicher keine Priorität im Alltagstraining. Denn es gibt ganz andere Dinge, die der Hund lernen muss, damit er alltagstauglich wird: Stresstoleranz und entsprechender Grundgehorsam haben für mich einen deutlich höheren Stellenwert in der Hundeerziehung. Es macht also für mich keinen Sinn, diese Übung sofort in das Training einzubauen, wenn der Vierbeiner einzieht.

Die Gefahr dabei …

Für das Warten vor der Futterschüssel ist (gerade bei sehr futtermotivierten Hunden) eine sehr hohe Impulskontrolle notwendig. Dabei darf man nicht vergessen, dass Impulskontrolle nicht unendlich vorhanden ist. Sie ist eine endliche Ressource, die Zeit zur Regeneration benötigt. „Verbrauche“ ich schon viel Impulskontrolle meines Hundes für solche – entschuldigt den Ausdruck – nebensächliche Übungen, dann kann es sein, dass sie mir an anderer Stelle fehlt.

Ein Beispiel: der Vierbeiner bekommt immer morgens und abends sein Futter. Er muss immer einige Minuten warten, bevor er Fressen darf. Dann wird vielleicht darauf bestanden, dass der Hund beim Anziehen des Geschirrs still hält und auch bei der Tür ruhig wartet, bevor der Spaziergang losgeht. Für diese drei Übungen war schon sehr viel Impulskontrolle notwendig. Für einen jungen Hund, vielleicht sogar zu viel! Dann kann es passieren, dass die notwendige Impulskontrolle fehlt um eine gute Leinenführigkeit zu zeigen oder ruhig an anderen Hunden vorbeizugehen.

Deshalb gilt es, diese Ressource sorgsam einzusetzen – vor Allem bei jungen Hunden!

Was tun, wenn der Hund zur Schüssel stürmt?

Natürlich ist es unangenehm, wenn man die Futterschüssel kaum richtig hinstellen kann, weil der Hund sofort hinstürmt. Aber dieses Problem kann man auch über andere Wege gut managen! Man kann zum Beispiel die Tür zum Fressplatz schließen und erst Öffnen, wenn die Schüssel schon am Boden steht. Und man sollte nie vergessen, dass Hunde im Grunde Schlingfresser sind. Es ist also nicht ungewöhnlich, wenn der Vierbeiner sich sehr flott über das Futter hermacht. Vor Allem dann, wenn der Hund schon die Erfahrung machen musste, dass man schnell mampfen muss, weil sonst nichts übrig bleibt. Ein häufiges Thema bei Welpen, die alle aus einer Schüssel gefüttert wurden oder auch bei Tierschutzhunden.

Was die Übung NICHT bringt!

Nur weil der Hund daheim brav auf das Signal wartet, darf man nicht erwarten, dass dies auch beim Spaziergang funktioniert, wenn Essen auf der Straße liegt. Das Warten vor der Futterschüssel ersetzt kein systematisches Giftköder-Training! Hunde lernen Kontext- und Ortsbezogen. Was also in der Küche bei Trockenfutter gut funktioniert, funktioniert auf der Straße bei einem halben Kebap mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht 🙂

Fazit

Wie schon geschrieben, ist das Warten vor der Futterschüssel eine nette zusätzliche Übung. Diese sollte man aber erst dann einbauen, wenn der Alltag sonst reibungslos funktioniert. Generell empfiehlt es sich mit der Impulskontrolle des Hundes sorgsam umzugehen, damit sie nicht an anderer, wichtiger Stelle fehlt!
UND: das Warten vor der Futterschüssel muss schrittweise aufgebaut werden! Verlangt man die Übung einfach ohne Training, dann wird es nicht klappen und sehr stressig für den Hund.