Erwartungsdruck in der Hundehaltung

Die Zeit im Serbischen Shelter war sehr lehrreich für mich. Nicht nur, weil ich den ganzen Tag mit unterschiedlichsten Hundetypen arbeiten durfte. Auch meine Sicht auf die Hundehaltung wurde dadurch nachhaltig verändert.

Die Hunde im Shelter leben in Zwingern. Diese sind zwar geräumig, aber bieten klarerweise nicht das Platzangebots einer Wohnung oder eines Hauses. Sie bekommen ihren Freilauf und natürlich Knuddeleinheiten, aber abgesehen davon wird mit den Hunden nicht viel gemacht. Das ist definitiv nicht die Haltung, die ich mir für die Hunde wünschen würde, aber geht es ihnen so viel schlechter, als Hunden, die bei uns im Haushalt leben?

Hunde in Österreich sind relativ stark in die Gesellschaft miteingebunden. Sie begleiten ihre Besitzer auf viele Ausflüge, in Restaurants, zum Einkaufen, auf Besuch zu Freunden und Familie, zum Schwimmen, etc. Dazu bekommen sie alle Annehmlichkeiten, die wir zu bieten haben: tägliche, geregelte Mahlzeiten, medizinische Versorgung, Pflegemaßnahmen, regelmäßige Streicheleinheiten, ein warmes Bettchen oder vielleicht sogar die Couch und das Bett als Liegeplatz.

Ein Traumleben also? Nun ja, all das kommt mit einem Preis: weil Hunde hier so eng mit uns zusammenleben sind auch viele Erwartungen an sie geknüpft. Sie sollen immer folgsam sein, aufmerksam wenn wir es uns wünschen, aber unauffällig, wenn wir gerade keine Zeit haben. Sie sollen Vorzeigehunde sein, die niemals an der Leine ziehen oder vielleicht sogar mal jemanden anbellen. Vor Allem Gebell ist ja ein sehr großes Thema: bei jedem kleinen Wuffer wird man schnell schief angesehen, denn bellende Hunde sind extrem unerwünscht. Meistens fühlen sich die Besitzer dann dazu gezwungen den „unartigen“ Vierbeiner in irgendeiner Art und Weise zu maßregeln. Im besten Fall „leistet“ der Hund auch noch irgendetwas Besonderes, um sich sein Leben zu „verdienen“: besonders gern gesehen sind Therapie- oder Assistenzhunde, die einen wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten. Aber auch Sporthunde scheinen schnell einen höheren Stellenwert zu haben. Dass dafür jahrelanges Training erforderlich ist, das häufig nicht unter den besten Bedingungen passiert, vergessen wir gerne mal.

Ihr merkt schon, worauf ich hinaus will, oder? Natürlich sind die Haltungsbedingungen unserer Hunde deutlich besser, als in einem serbischen Shelter. Aber haben es unsere Hunde so viel besser, als die Tierheimhunde? Bauen wir mit unseren Erwartungen nicht einen immensen Druck auf unsere Hunde auf?

Fazit

Was will ich nun damit sagen? Sollen wir unsere Hunde nun alle in Tierheime packen, damit sie dem Erwartungsdruck entgehen? Nein natürlich nicht 🙂

Aber vielleicht kann man sich diesen Gedanken im Alltag öfter zu Herzen nehmen!
Müssen die Erwartungen an unsere Hunde wirklich immer so hoch sein, oder können wir sie nicht doch ein wenig hinunterschrauben?
Müssen wir uns immer dem Gesellschaftlichen Druck beugen, oder können wir unsere Hunde auch einfach mit ihren Fehlern akzeptieren?
Muss jeder Hund etwas besonderes leisten, oder reicht es auch einfach aus, wenn er mit uns gemeinsam ein angenehmes Leben verbringt?
Wäre es nicht schön, wenn unsere Hunde auch manchmal einfach nur Hund sein dürfen? Mit all den Ecken, Kanten und liebenswerten Eigenschaften, die sie mitbringen?

Die Antworten dazu muss jeder für sich finden 🙂