Gehorsam vs. Wohlbefinden

Wir sind uns bei einem Punkt wohl alle einig: jeder Hund braucht einen gewissen Gehorsam, damit er und seine Besitzer ein angenehmes Leben führen können. Der Hund sollte gut leinenführig sein, damit keine gesundheitlichen Probleme durch das Ziehen entstehen und damit entspannte Spaziergänge möglich sind. Der Vierbeiner sollte ruhig an Menschen/Hunden/Autos etc. vorbeigehen können um unnötigen Stress zu vermeiden. Er sollte im besten Fall gut abrufbar sein, um Freilauf genießen zu können. Alles Beispiele, die zeigen wie wichtig guter Gehorsam ist. Doch es gibt auch Fälle, wo starrer Gehorsam ein Problem für das Wohlbefinden des Hundes darstellen kann!

Beispiel: Fuß gehen

Bei-Fuß-Gehen zu trainieren kann den Alltag sehr erleichtern. Ein Hund der eine ordentliche Fußarbeit zeigen kann, kann einfach an anderen Personen/Artgenossen/etc. vorbeigeführt werden. Und es ist sehr angenehm für den Menschen, wenn der Hund immer schön am Bein bleibt und sich nicht wegbewegt. Allerdings ist Bei-Fuß-Gehen extrem anstrengend für den Hund! Die Übung sollte deshalb nicht länger als wenige Minuten lang vom Hund eingefordert werden.

Wer nicht glaubt, wie anstrengend Bei-Fuß-Gehen ist, sollte unbedingt einmal den Selbsttest machen: versuche einfach einige Minuten lang knapp neben einem anderen Menschen herzulaufen und dabei jede Bewegung mitzumachen! 🙂

Richtig problematisch für das Wohlbefinden wird es dann, wenn der Hund nur noch Bei-Fuß-Gehen soll und keinen falschen Schritt mehr machen darf. Ihr fragt euch vielleicht, wer das von seinem Hund verlangen würde? Tatsächlich bekomme ich diesen Wunsch sehr häufig zu hören. Doch ein Hund, der nur noch neben dem Bein seines Hundehalters laufen darf, nicht schnüffeln soll oder sich mal schneller bewegen darf, führt kein artgerechtes Leben mehr! Das Wohlbefinden ist in dieser Situation definitiv nicht mehr gegeben.

Beispiel: Leinenführigkeit

Wie oben schon geschrieben ist eine gute Leinenführigkeit im Alltag sehr wichtig – sowohl um das Wohlbefinden des Hundes zu sichern, als auch das des Hundehalters. Natürlich ist es im Training wichtig, dass das Ziehen an der Leine so gut wie möglich verhindert wird. Denn je häufiger der Hund unerwünschtes Verhalten „übt“, desto schwieriger ist es, es wieder abzutrainieren (siehe den Beitrag Managementmaßnahmen). Doch was macht man, wenn der Hund beim Rausgehen immer sofort zum Ziehen beginnt?

Eine Möglichkeit wäre, erst dann rauszugehen, wenn der Hund erwünschtes Verhalten zeigt. Also sich immer erst zu vorwärts bewegen, wenn der Hund nicht an der Leine zieht. Doch hier sind wir wieder in einem gefährlichen Bereich, wenn es um das Wohlbefinden des Hundes geht! Denn kommt der Hund nur noch hinaus, wenn er „folgsam“ ist, dann ist das eine große Einschränkung seines Lebens und wichtige Bedürfnisse können nicht mehr befriedigt werden.

Auch trainingstechnisch ist diese Vorgehensweise nicht wirklich sinnvoll. Denn kommt der Hund gar nicht mehr raus oder während dem Spaziergang nicht voran, dann steigt die Frustration des Hundes extrem an! Das Training wird so auch immer schwieriger als einfacher werden.
Deshalb sollte man meiner Meinung nach im Training auch immer Kompromisse eingehen, wenn das Wohlbefinden des Hundes in Gefahr ist. Es ist immer eine Einzelfallbeurteilung, jedoch kann es manchmal sinnvoller sein einige Zeit mit einem ziehenden Hund zu gehen, damit er seine Bedürfnisse befriedigen kann, bevor man mit dem eigentlichen Training startet!

Fazit

Der Gehorsam des Hundes ist sehr wichtig, das steht außer Frage. Doch dabei darf man niemals vergessen, dass unsere Vierbeiner keine Sklaven und auch keine willenlose Maschinen sind. Sie haben Bedürfnisse, die ebenso wichtig sind wie unsere, menschlichen Bedürfnisse. Ihr Wohlbefinden sollte an oberster Stelle stehen – auch wenn das bedeutet, dass die eigenen Wünsche und Vorstellungen dabei zurückgestellt werden müssen.