Unerwünschtem Verhalten richtig begegnen

Unerwünschtes Verhalten ist einer der Hauptgründe, warum Hundehalter Trainer konsultieren. Dass die Bestrafung des Hundes nicht sinnvoll ist und schlimme „Nebenwirkungen“ haben kann, wurde ja bereits in mehreren Blog-Artikeln angesprochen. Nun gibt es aber auch in der gewaltfreien Hundeerziehung unterschiedlichste Ansätze, wie man dem Problem begegnen kann. Einer davon ist, den Hund „einfach machen zu lassen“. Also zu warten, bis der Hund das unerwünschte Verhalten beendet hat und dann (im besten Fall) das erwünschte Verhalten zu belohnen. Doch ist das eine sinnvolle Vorgehensweise?

Ich denke nicht, denn es gibt dabei einige potentielle Gefahren. Nehmen wir das Beispiel Junghund, der gerne an Personen hochspringt. Das Verhalten ist anfangs vielleicht noch süß, spätestens wenn der Hund aber größer wird bzw. schmutzige Pfoten auf frischgewaschener Kleidung landen, wird es zum unerwünschten Verhalten. Was passiert nun, wenn man einfach abwartet, bis das Verhalten aufhört?

Oder eine weitere Situation: der Welpe möchte gerne zu anderen Hunden hin, weil er spielen möchte. Er springt dazu in die Leine, zerrt und bellt/fiept vielleicht sogar. Macht es Sinn zu warten, bis der Hund damit aufhört?

Stärke Verknüpfung des unerwünschten Verhaltens

Aus jeder Situation, die unsere Hunde (bzw. auch wir Menschen) erleben, „lernen“ wir etwas. Denn lernen findet immer statt – wir können unseren Hunden nicht befehlen, dass sie diese oder jene Situation aus ihrem Kopf streichen J bei jeder Lernerfahrung bilden sich Neuronen bzw. Neuronenverknüpfungen im Gehirn. Je öfter nun eine Situation auftritt und „daraus gelernt“ wird, desto stärker werden diese Verknüpfungen. (1)

Damit ist die Chance sehr hoch, dass da unerwünschte Verhalten „erlernt“ wird. Je häufiger diese Erfahrung gemacht wird, desto schwieriger wird es auch, es wieder abzutrainieren. Gerade im Welpen- und Junghunde-Alter kann das sehr schnell passieren, da ja allgemein wenig Lernerfahrungen vorhanden sind. Es gibt also keine bzw. wenige Lernsituationen, in denen der Hund das erwünschte Verhalten üben konnte.

Betrachten wir nun die Beispiele: der Junghund, der an Menschen hochspringt lernt also, dass Hochspringen ein Teil des Verhaltensrepertoirs ist. Ebenso der Welpe, der zu anderen Hunde möchte und dabei an der Leine zerrt.

(1) Dr. S. Wittmann, Prof. Dr. W. Edelmann: Lernpsychologie. Beltz 2012

Frust- und Stress

Bringt man den Hund in einer Situation, in der er nicht zum erwünschten Ziel kommt, dann bewegt man sich im lerntheorethischen Bereich der negativen Strafe. Dem Hund wird etwas Angenehmes vorenthalten, er kann die Handlung nicht zu Ende führen. (2)

Dabei steigt immer der Stress- und Frustlevel! Und mit einem steigenden Stresslevel bzw. mit der steigenden Frustration, wird auch das unerwünschte Verhalten stärker auftreten. Außerdem steigt die Chance, dass der Hund noch andere Verhaltensweisen zeigt, die wir nicht haben möchten – zum Beispiel Aggressionsverhalten.

Bleiben wir bei unseren Beispielen: der Hund, der hochspringt wird immer frustrierter, weil er keine Aufmerksamkeit von den Menschen erhält. Er wird sich also noch stärker Bemühen um die Aufmerksamkeit zu erhalten. Spätestens, wenn er zum Kratzen beginnt und einen Menschen verletzt, wird eine Reaktion folgen – er bekommt also die Aufmerksamkeit, die er ja haben wollte. Die perfekte Belohnung also 🙂 damit wird das Verhalten in Zukunft auch öfter auftreten.

Im zweiten Beispiel ist es ähnlich: der Welpe möchte gerne zu anderen Hunden, kann sie aber nicht erreichen. Er wird dadurch immer frustrierter und aufgeregter und wird seine Bemühungen noch verstärken, wenn ihm keine Alternative gezeigt wird, wie er schneller und effizienter ans Ziel kommt. Eventuell versucht er bald sogar, die Leine loszuwerden – also aus dem Brustgeschirr zu schlüpfen, oder auch in die Leine zu beißen.

(2) J. E. Mazur: Lernen und Verhalten. Pearson Studium, 2006.

Alternativen zum Abwarten?

Ihr seht also die Gefahr darin, „den Hund einfach machen zu lassen“! Diese Vorgehensweise ist also nicht wirklich sinnvoll, zumal es deutlich bessere Wege gibt 🙂 Man kann zum Beispiel Übungen und Situationen so gestalten, dass es gar nicht zum unerwünschten Verhalten kommen kann. Oder man zeigt dem Hund passende Verhaltensalternativen, die ihn schneller zum Ziel bringen. Zusätzlich sollte man noch mit Managementmaßnahmen arbeiten, dass das unerwünschte Verhalten so selten gezeigt werden kann, wie möglich!