Kampfhund vs. Kampfschmuser

Wie viele Hundetrainer & Hundebesitzer bin ich nach wie vor ein wenig fassungslos über die Novelle des Wiener Tierhaltegesetzes. Ohne Absprache mit Experten – und davon gibt es in Österreich genug – wurde eine Novelle beschlossen, die keinerlei Realitätsbezug hat. Alle Statistiken sprechen gegen eine Vorverurteilung von bestimmten Hunderassen. Sie zeigen deutlich, dass es immer eine individuelle Einschätzung vom Gefährdungspotential eines Hundes geben muss.

Diese höchst einseitige Beurteilung der Hunderassen durch die Politik und teilweise durch Medien führen zu einem anderen Extrem: von verschiedenen Gruppierungen werden Listenhunde glorifiziert und als die tollsten Hunde schlechthin dargestellt. Hier liest man häufig den Begriff „Kampfschmuser“ in Zusammenhang mit Bildern, Videos und Beschreibungen der Großartigkeit dieser Rassen.

Sehr konträre Meinungen also, doch welcher kann man nun vertrauen? Aus diesem Grund möchte ich meinen – ebenso absolut subjektiven – Eindruck der Listenhunde hier schildern.

Kampfhunde?

Da ich den NÖ Sachkundenachweis ausstellen darf, habe ich sehr häufig Listenhunde bei mir im Training. Ich bekomme die unterschiedlichsten Hunderassen zu sehen: viele Staffordshire Terrier & Bullterrier, Pitbulls, Rotweiler, Dogo Argentinos und auch Mastinos durfte ich schon betreuen und den NÖ Sachkundenachweis abnehmen.

Mein Eindruck dieser Rassen: es sind ganz normale Hunde, mit allen hündischen Bedürfnissen, Verhaltensweisen und Problemen. Kommen die Vierbeiner von tollen Züchtern, die sich über Frühentwicklung, Sozialisierung und entsprechende Auswahl der Elterntiere Gedanken machen, dann sind sie meist problemlose Hunde, die mit ihrer Umwelt wenig Probleme haben. Kommen die Hunde jedoch von Vermehrern, aus Tierheimen oder aus dem Tierschutz, dann bringen sie die gleichen Probleme mit, die andere Vierbeiner auch mitbringen: häufig kämpfen sie mit Ängsten durch schlechte Erfahrungen oder nicht vorhandene Sozialisierung. Außerdem sind sie mit dieser Vergangenheit meistens eher schlecht auf das Zusammenleben mit Menschen vorbereitet und sind dadurch auch schnell gestresst. Wie bei allen anderen Hunden auch, erhöht der höhere Stresslevel das Potential für Eskalationen.

Ebenfalls wie bei allen anderen Rassen gilt: egal mit welcher Vorgeschichte der Vierbeiner kommt – wenn er auf verantwortungsbewusste Hundehalter trifft, können jegliche Probleme zwar vielleicht nicht gelöst werden, aber zumindest doch gut gemanagt werden. Wird der Hund jedoch von Hundehaltern übernommen, die sich nicht mit sinnvollem Training auseinandersetzen und die Körpersprache des Hundes nicht einschätzen können, dann sind Probleme vorprogrammiert.

Sind also alle „Kampfhunde“ böse Bestien, die weggesperrt werden müssen? Nein, natürlich nicht 🙂 Der entscheidende Faktor ist der Hundehalter!

Oder doch Kampfschmuser?

Wie sieht es mit der gegenteiligen Meinung aus? Haben wir es vor Allem mit Kampfschmusern zu tun, die keiner Seele etwas zu Leide tun? Ebenfalls ein Schubladendenken, das ich so nicht gutheißen kann.

Wie oben schon beschrieben, sind sie auch nur normale Hunde. Das heißt es gibt ebenso Individuen, die Menschen mögen, wie auch Vierbeiner, die Kontakt nicht so gerne möchten. Es gibt Listenhunde, die toll mit Kindern umgehen und andere, die durch die kleinen Menschen eher gestresst werden. Dasselbe gilt für Kontakt mit Artgenossen, anderen Tieren und verschiedene Umweltreize.

Die Darstellung als „Kampfschmuser“ finde ich deshalb ebenso gefährlich, wie die andere Sichtweise. Sie verleitet dazu, die Hunde in Situationen zu bringen, mit denen sie nicht umgehen können. Das kann man leider sehr gut auf den Videos sehen, die zu diesem Thema im Umlauf sind. Sie zeigen häufig massiv gestresste Hunde, die angeblich nett mit Kindern schmusen. Oder Listenhunde, die „toll“ mit Artgenossen spielen, in Wirklichkeit aber Übersprungshandlungen und deutliche Stressignale zeigen.

Fazit

Es gibt keine sogenannten „Kampfhunde“! Es gibt nur Hunde, die – unabhängig von ihrer Rassezugehörigkeit – schlechte Erfahrungen machen mussten, schlecht sozialisiert wurden und/oder falsch erzogen bzw. trainiert wurden. Passiert das, dann geht von diesem Individuum tatsächlich ein erhöhtes Gefahrenpotential aus. Daraus kann man aber keine allgemein Einschätzung der Rasse ziehen!

Genauso falsch ist aber die Aussage, dass alle Listenhunde sogenannte „Kampfschmuser“ sind. Auch Listenhunde sind nicht immer einfach, nicht mit allen anderen Hunden verträglich und lieben nicht alle Menschen!
Wie immer gilt: man sollte aufhören in Schubladen zu denken – weder die extreme Verurteilung, noch die extreme Glorifizierung der Rassen ist sinnvoll. Listenhunde müssen als die Individuen betrachtet werden, die sie sind.